Quellenstudium zeigen.

? Johann Simon Buchka: Muffel, der Neue Heilige, nach dem Leben geschildert und bei Gelegenheit ei­ner Magisterpromotion zu Wittenberg zu einem Gedichte entworffen. Basel 1731, hier zit. n. J.S. Buchka: Auserlesene Gedichte. Hof, Bayreuth 1755, hier 8f. Die Ironie will es, dass Buchka 1737 selbst ein Pietist geworden sein soll und noch im selben Jahr in den Evangelischen Buss-Thränen über die Sünden seiner Jugend, besonders über eine Schrift, die man Muffel der neue Heilige betitult[...](Leipzig, Bayreuth 1737) bereut hat.

© Buchka[s. Anm. 9], 6. Auch Muffels sexueller Ap­petit bleibt nicht ungenannt:Denn mancher lässet sich aus Einfalt so bethörn,/ Als könntest du sein Weib im Bette nur bekehrn.(ebd., 9).

" Vgl. Alexander Kosenina: Anthropologie und Schauspielkunst. Studien zureloquentia corporis im 18. Jahrhundert. Tübingen 1995.

"[Luise Adelgunde Victorie Gottsched:] Pietisterey im Fischbein-Rocke.(1736). Stuttgart 1992, 89(IV.1). » Thomas Abbt: Leben und Charakter Alexander Gottlieb Baumgartens. In: Ders.: Vermischte Werke, II, 4. Bd. Berlin, Stettin 1780, 215-244, hier 238f.

'* Christianus Democritus[d.i. Johann Conrad Dip­pel]: Entdeckung der gewissen-losen Verdrehung, samt sectirischer Hartnäckigkeit, Womit ein so ge­nannter Christophilus Wohlgemuth[...].[Nürnberg] 1732, 230.

5 Vgl. Pietistische Genußkultur. Texte von Johann Gottlob Krüger aus den Jahren 1746 und 1751. Mit Textkommentar, Zeittafel und einem Nachwort. Hg. v. Anne Hegemann u. Carsten Zelle. Halle 2008.

'* Zum Rauchen und seiner gesellschaftlichen Wahr­nehmung in der Frühen Neuzeit: Wolfgang Schivel­busch: Das Paradies, der Geschmack und die Ver­nunft, Eine Geschichte der Genussmittel. Frankfurt/Main 52002.

7 Vg. dazu Christian Soboth: EinWunder unsers Jahrhunderts oderein Hauß für Diebe und Mörder? Innen- und Außenansichten von den Glauchaschen Anstalten im 18. und 19. Jahrhundert. In: Gebaute Utopien. Franckes Schulstadt in der Geschichte eu­ropäischer Stadtentwürfe. Hg. v. Holger Zaunstöck. Halle 2010(Kataloge der Franckeschen Stiftungen, 25), 145-151.

'* Christian Fürchtegott Gellert: Gesammelte Schrif­ten. Bd, 5: Poetologische und moralische Abhand­lungen, Autobiographisches. Hg. v. Werner Jung [u.a.]. Berlin[u.a.] 1994, 335£.

» Schack Fluurs Jugendgeschichte, mitgeteilt von Carl Friedrich Pockels. In: Magazin zur Erfahrungs­seelenkunde. Hg. v. Karl Philipp Moritz. 4. Bd., 2. St. (Berlin 1786). ND Nördlingen 1986, 180f. Ähnlich ur­teilt Johann Georg Brieger, der in seiner Historisch­topographischen Beschreibung der Stadt Halle im Magde­burgischen(Grottkau 1788) bestätigend Bezug auf die einschlägigen Passagen im Magazin nimmt. Auch er konstatiert hinter der frommen Maske Sadismus und Brutalität:Die übergroße Strenge, mit der man

den Alumnen begegnet, ist zum Theil mit das Ver­derben derselben; sie artet, so bald sie dem Waysen­hause entlaufen sind, in die grösseste Zügellosigkeit

aus. Für die menschliche Gesellschaft sind die Zög­linge des Waysenhauses gänzlich unbrauchbar- sie

sind ungeschliffen, menschenscheu und tückisch: sehr wohl handelt man daher, dass man immer

einige den Malabaren zur Bekehrung schickt.(178)

Den Hinweis auf Brieger sowie den auf Laukhard[s. Anm. 22] verdanke ich Malte van Spankeren(Müns­ter).

?»[Anonymus:] Ausführliche Historische und Theo­logische Nachricht von der Herrenhuthischen Brüd­erschafft[...] von Einem Liebhaber der reinen Gott­seligkeit[...]. Frankfurt/Main: Selbstverlag, 1743, 248. > Ausführliche Historische und Theologische Nach­richt[s. Anm. 20], 254.

» Vgl. Friedrich Christian Laukhard: Magister F.Ch. Laukhards Leben und Schicksale. 2 Bde. Stuttgart

1908, hier Bd. ı, 201:Daß die Hallenser, von der Stif­tung der Universität an bis ungefähr auf die Zeiten

des Siebenjährigen Krieges, Frömmlinge gewesen

sind, ist allerdings wahr, und daß der bösartige Ein­fluß dieses frömmlichen Wesens sich von da aus

weit und breit ausgedehnt hat, ist auch wahr. Aber

wer noch jetzt über Hyperdulie[übersteigende Hoch­schätzung, d.Vf.] der Hallenser klagen wollte, würde

ihnen wahrlich zu viel tun. Seitdem ich die Studenten

in Halle kenne, waren sie zwar keine Atheisten, aber auch keine pietistischen Kopfhänger. Die Kopfhän­gerei von ehedem hat ihren Ursprung zu Leipzig in

den frommen Zusammenkünften einiger superfrom­mer Magister gehabt und wuchs hernach auf dem

hallischen Waisenhause zu einer solchen Größe he­ran, daß man alle für Satanskinder ausschrie, die

den Kopf gerade trugen und ihre freie unbefangene

Miene jedermann hinzeigten. Lustigkeit und aufge­wecktes Wesen hießen grobe Sünden, und nur der war Gott, oder, was gleich viel galt, den Vorstehern der heiligen Waisenanstalten angenehm, welcher aussah wie

ein Büßender, Kirchenversäumen war Hochverrat, und nicht alle Jahre vier- oder achtmal zum Nacht­mahl gehen, hieß den Heiland verleugnen. Die meis­ten theologischen Studenten, wenn sie auch die Wai­senhäuser-Benefizien nicht genossen, ahmten diesem

frömmelnden Wesen nach und lernten sehr bald

die Kunst, wie so mancher übertünchte Pietist, in

der Welt ohne Kopf, ohne Herz, ohne Kenntnisse

und ohne reelle Sitten sein Glück zu erheucheln. So

wurden nun die meisten Studenten Frömmlinge und

seufzten: ‚Ach Gott, wie ist die Welt so blind!(Her­vorhebung d.Vf.).

» Z.B. Die Fußstapffen Des noch lebenden und waltenden

liebreichen und getreuen Gottes[...]. Halle 1701ff.

* Erik Pontoppidan: Menoza, Ein Asiatischer Printz, welcher die Welt umher gezogen Christen zu suchen

[...]. Hollstein 1746(dän. Original 1742), 173f.

% Pontoppidan[s. Anm. 24], 175f.

% Pontoppidan[s. Anm. 24], 176.

» Georg Wilhelm Krause: Historische und psycho­

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PIETISMUS FRISIERT UND UNFRISIERT

logische Bemerkungen über Pietisten und Pietismus. Krefeld 1804, 13ıf.:Oder meinst du im Ernst, es waren lauter gute und vortreffliche Menschen, welche dem guten Franke[!] sein Werk gründen und auf­führen halfen? Wie mancher entnervte Wüstling opferte hier seine Gabe, um damit gleichsam die Schulden des Gewissens zu bezahlen, welches ihn wegen eines ausschweifenden und zügellosen Lebens nagte! Wie mancher Ungerechte, der Witwen und Waisen bedrückte und ausgesogen hatte, wollte hier durch ein freywilliges Geschenk an andre Waisen gleichsam den höheren Richter bestechen, damit derselbe ihm die tausendfach erpreßten Seufzer und Thränen so hoch nicht anrechnen möchte! Wie man­che heuchelnde Betschwester, die zur Plage aller ihrer Bekannten und Angehörigen lebte, wollte sich hier durch reichliche Gaben eine hohe Stufe im Him­mel erkaufen, um da gleichsam noch über ihre we­niger fromme Nachbarin zu triumphieren! Wenn neben den vielen Gaben, die unstreitig aus guten, theilnehmendem und christlich gesinntem Herzen dargebracht wurden, doch gewiß ein großer Theil derselben auch aus diesen Quellen floß: möchtest du da wünschen, daß ähnliche Quellen noch jetzt sich eröffneten. Vgl. die kritische Rezension zu Krause in der ALZ ı, 1806, 6, 45-48.

2% Krause[s. Anm. 27], 19sf.

» Krause[s. Anm. 27], 212ff.

» Krause[s. Anm. 27], 220f.

* Bruno Bauer: Geschichte der Politik, Kultur und Aufklärung des 18. Jahrhunderts.(Berlin 1842/43) Aalen 1965, 68f.

» Bauer[s. Anm. 31], 163. Gemeint ist Joachim Lange (1670-1744).

3 Bauer[s. Anm. 31], 169.

* Bauer[s. Anm. 31], 171. Bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts, in den Streitigkeiten um das im Alter von zehn Jahren verstorbene Wunderkind Christlieb Leberecht von Exter, der von einem Halleschen In­formator erzogen und- wie die Gegner behaupteten zugrunde gerichtet worden war, ist August Her­mann Francke als Kinder fressender Moloch be­schrieben worden; vgl. Höchstverderbliche Auffer­ziehung Der Kinder Bey den Pietisten Durch Gelegenheit des von dem hallischen Professore M. August Herrmann Francken kanonisierten Zehen=Jährigen Kindes Christlieb Leberecht Exters deutlich vor Augen gestellet von Hieronymus Bahr. Jetzo mit einer Neuen Vorrede vermehret. Frankfurt, Leipzig 1709. Eine Zusammenfassung der Affäre mit Hinweis auf den Moloch Francke s. Johann Georg Walch: Historische und Theologische Einleitung in die Religions-Streitigkeiten der Evangelisch-Luthe­rischen Kirche. Jena?1733-1739, 5. Cap.(1739), 864f. » Karl Biedermann: Deutschland im 18, Jahrhundert. (Leipzig 1880) Aalen 1969, 282.

% Biedermann[s. Anm. 35], 53.

Biedermann[s. Anm. 35], 54.