Da mein Vater gerne wissen wollte, wozu ich denn noch die meiste Lust hätte, so schrieb ich ihm: daß
ich durchaus nicht glaubte, ich sey zu einem Prediger in Deutschland bestimmt; sondern ich hätte mich fest
entschlossen, ein Missionarius zu werden: ich hatte von meiner Kindheit an einen Trieb dazu gehabt, und
dieser Trieb konnte nicht anders als göttlich seyn. Der Vater antwortete: es sey zwar ein periculosae
plenum opus aleae; er habe aber nichts dawider, nur müßte ich auf die Umstände sehen, u. s. w. Ach! es war sein
letzter Brief; denn bald darauf verschied er, in der gewissen Hoffnung, daß ich einst Miss. werden würde, welches
er auch öfters gegen andere geäußert hatte. Zu Ostern 1809 verließ ich Pforte, mit welcher Stimmung
kann man sich leicht denken. Viel gutes habe ich da genossen, aber der bösen Tage waren doch mehr, als der
guten. Da mir meine Arbeiten sehr leicht wurden, und immer gute Censuren erhielt; so verfolgte mich der Neid auf
eine gehässige Art. Mein republikanischer Sinn zog mir auch Feinde an. Ich urtheilte über manche Sachen zu frey
und konnte es durchaus nicht ruhig mit ansehen, wenn ich merkte, daß Partheilichkeit die Oberhand nehmen wollte.
In der Welt meiner Freunde war ich auch sehr unbehutsam, und ich kam manchmal in Lagen, woraus mich nur eine
ganz eigne Politik retten konnte. Jedoch kann ich dem Herrn nicht genug danken, daß er mir die letzte Zeit über
in Pforte einen treuen Freund schenkte. Das war ein gewisser Moebius, der aus Luthers Familie abstammte.
Es war dis ein Jüngling von großen Talenten, und war besonders in der Mathematik so gut erfahren, daß
[es] Bestaunen erregen mußte. Er war von unbescholtenen Sitten, hatte Gottesfurcht, war aber durchaus kein
[Fre]und von bloßer Moralpredigten, welches ihm auch niemand verdenken wird. Seinem Umgang habe ich viel
zu verdanken. Es war seine Weisheit, und sein gesetztes Wesen, welches meinen zu vorschen und wilden Sinn
manchmal im Zaum hielt. Wir studirten zusammen die Engl. und Spanische Sprache, wir legten uns mit
großem Eifer auf die Arabische Sprache, lasen den Coran; u. s. w. kurz, sein Umgang versüßte mir die
bittern Stunden, die ich manchmal hatte. Wir machten auch manchmal ganz besondre Sachen; die Augen aller
Pforten waren auf uns gerichtet; man ahmte uns in manchen Stücken nach; man glaubte, wir hätten etwas
sehr geheimnißvolles; man fand alles an uns sonderbar und originell: wir brachten immer neue Sprichwörter
und Redensarten im Umlauf u. s. w. Das Andenken an die Tage, die ich mit ihm erlebte, wird mir immer
freudig seyn.]
Gewisse Ursachen wegen hielt ich mich nach meinem Abgang von Pforte noch ein halbes Jahr in Olbernhau
auf: Diese halbe Jahr war für mich sehr entscheidend, denn ich hatte Zeit und Ruhe, an meine künftige
Bestimmung zu denken. Ich wog nun mit aller Anstrengung meines Geistes, mit der größten Unparthei-
lichkeit alles ab, bedachte die Gefahren, denen sich ein M. unterziehen müßte; ich stellte mir dagegen
vor, wie gut ich es hätte, wenn ich im Lande bliebe, wo ich doch bey meiner Mutter und Geschwistern bleiben könnte
und wo ich vermöge meiner sehr vielen und hohen Connexionen sehr bald und vortheilhaft versorgt werden
könnte, u. s. w. Nach langen Hin- und Herdenken kam ich endlich auf das Resultat, daß das Amt eines
Missionarii zwar das beschwerlichste, aber auch das allerseligste Geschäft auf Erden sey. Ich gelobte dem
Herrn auf das feierlichste, mein Leben nicht theuer zu achten, und es in diesem Dienste zu seiner Ehre
dahinzugeben. Uebrigens hatte ich in diesem halben Jahre manche schwere Anfechtungen, aber ich wurde
auch reichlich getröstet. Da ich meines seligen Vaters ziemlich große Bibliothek zu regulieren hatte, so fielen
mir manche vortreffliche Schriften in die Hände, die mir große Stärkung gewährten. Auch war mir die
[ganze] Zeit über das schöne Paul-Gerhardische Lied sehr erwecklich: Befiehl du deine Wege pp. Vorzüglich
gesegnet war auch für mich in dieser Zeit, das fleißige Besuchen der Kirche, wo ich selige Andachtsstunden erlebt,
und ich dachte mit vielen Entzücken an die Zeit, wo ich auch einst den Heiden Gottesdienst halten könnte.
Zu Michael 1809 ging ich endlich nach Leipzig. Ich dachte: ist es des Herrn Wille, unter die Heiden zu
gehen, so wird er schon Herzen erweken, die dir dazu behülflich sind. Nun aber kamen andre Stürme.
Bisher hatte ich immer die Bibel als ein ganz göttliches Buch gehalten; aber nie hörte ich so viele Bedenklichkeiten
gegen diese Wahrheit. Man gab gerne vor, die Bibel sey in etwas göttlich, doch sey die mit vielen
menschl. untermischt. Damit konnte ich mich aber durchaus nicht begnügen. Sollte alles consequent seyn,
so müßte entweder die Bibel ganz göttlich, oder ganz menschlich seyn. Ich hatte fürchterliche Stunden des
Zweifels; man schien mir meinen Glauben entreißen zu wollen, und es traf ein, was mir mein Vater
voraus gesagt hatte. Ich betete unabläßig zum Herrn, er möchte doch mein Herz wieder fest machen; und
siehe da, es geschah auch. Das vortreffliche Werk von Köppen über die Bibel hat mir ausgezeichnete Dienste
geleistet, und ich erinnere mich noch, daß ich die beiden letzten Seiten dieses Werkes nie ohne viele Thränen
gelesen habe. Es ist doch sehr sonderbar, daß es auch dieses Buch war, welches einen stets guten Freund von
mir, der mit vielen Segen das Evangelium verkündigt, wieder zum wahren Glauben verhalf, der ihn durch