Ich fiel in große Traurigkeit, und aus Unmuth weil ich nicht wuste, was ich gedencken
reden noch thun solte, lief ich in die Schlafkammer und warf mich aufs Bette. Da
ging es an ein Stöhnen, Seufzen und Weinen, doch so daß die Seele mehr weinete als
die Augen Waßer geben konten. Die Gedancken, die mir damahls zu eben der Stunde, das
harte Hertz brachen, waren diese folgende: sihe diesen Augen blick bistu noch lebendig und ein
Mensch, wie bald kan es geschehen, so bistu todt, so bistu anders wo, so bistu nicht mehr bey Menschen
sondern bey häßlichen schwartzen Teuffels. Dieser Gedancke drückete sich so lebendig in mein
Hertz, als wenn alles also auch schon gegen währtig und den Augenblick vorhanden wäre. Deßen
schmertzhaffter Angriff machte mich so mürbe und das steinere Hertz so weich, daß es gleich-
sahm als tödtlich verwundet in lauter Blute zerfloß. In dieser Angst und Noht, da meine Zer-
malmete Seele in lauter Thränen schwam und mein Hertz in meinem Leibe pochete, ich auch
mir selbst des Lebens erwog, weil nunmehro der Richter Stuhl Gottes in meinem Ge-
wißen gesetzet worden, so sprach ich mir 1000 mahl selbst das rechte Uhrtheil aus mit diesen
folgenden Worten: Du bist des Teuffels und bleibest des Teuffels, wo du nicht anders Sinnes
wirst! Mein Stuben Bursche Jacob Wolterstorf hatte mein belemmetes Gemühte aus
meinem kläglichen Angesicht in etwas abgenommen, und kam deshalben zu mir in die
Kammer, fragende, was mir den fehlete? ich aber gab ihm keinen andern Bescheid als diesen
daß mir sonsten was fehlete. Allein ich blieb in meinem Zagen, winseln und ringen, doch so
daß es kein Aufsehen veruhrsachen möchte, mehr innerlich als mit äuserlichen Geberden, ich
gedachte an kein Eßen noch trincken mehr, und da ich diesen Abend und auch spät in die Nacht
hinein solche Betrübniß in meiner Seelen empfunden, war ich endlich ermüdet einge-
schlaffen. Das war aber nur der Anfang, von dieser Zeit an gerechnet, war ich geschlagen
an Hertz und Sinn und wo ich ging und stand, weinete zum wenigsten meine arme Seele,
obgleich die Augen dann und wann ein wenig trocken waren. Gantzer 4. Wochen und
drüber war ich in einem desperaten Zustande, Thränen waren meine Speise Tag und
Nacht, ich fragte nicht vielmehr nach Essen oder Trincken außer daß ich ein gar wenig noch zu mir
nahm, eben als ein armer Sünder, der in wenig Tagen sol hingerichtet werden. Nicht einmahl
sondern vielmahl fielen mir die Gedancken ein, ich solte mir nur ein pferd Kauffen und
unter die Soldaten gehen, damit ich bald im Kriege umkäme: Denn ich wäre weit zu un wür-
dig und ungeschickt Theologie zu studiren, weil ich bishero so lang als ich gelebet, ein Teuffels-
Kind gewesen wäre. Bey dieser meiner thränen Saat, da ich innerlich ia äußerlich
weinen ging, ward das böse steinfelsenharte Hertz erweichet und ich fing an aufzuwachen
aus meinem Abgrund tieffen todes Schlaff, die innerliche Gemüths Augen gingen mir
ietzo weit auf mit Erstaunen zu erkennen meinen elenden Zustand und daß ich bishero
in Sünden todt gewesen. O! Jammer! O! große Noht! O! Schande, daß ich bishero ein todter
stinckender Sünder gewesen. Hirüber fand ich abermahl materie und Uhrsachen über Uhrsachen
zu weinen. Wie ein Kind, das aus seinem natürlichen Schlaff gestöret wird und bey Er-
wachung mit Schrecken vernimmet, daß es die Schule verschlaffen hat, als dann anfänget zu
weinen; also war meine Seele einem solchen weinenden Kinde gleich. Nun wurden mir
alle meine Sünden vorgestellet und ins frische Gedächtniß gebracht, die ich iemahls mit Gedancken,
Worten und Wercken begangen hatte, ia nunmehro fielen mir Sünden ein, daran ich bishero
nimmer gedacht, zu wenigsten, wenns geschehen wäre, nicht würde viel daraus gemachet
haben, daß sie was großes auf sich hätten, sondern sie wohl gar für Kleinigkeiten gehalten.
Ferner so stiegen mir nun sehr viel dubia auf und der Himmel schien gleichsahm mit
finstern Wolcken unzählicher Zweiffel und Verzweiffelungen mein gantzes Gemüthe
zu bedecken. Recht eigentlich hieß es damahls mit mir: Wo soll ich fliehen hin? weil ich be-
schweret bin, mit vielen großen Sünden, wo soll ich Rettung finden, wenn alle Welt her-
käme mein Angst sie nicht wegnehme. Diesen Vers verstehe ich aus und inwendig in der
lebhaftigsten Krafft genommen. Denn nun wußte ich aller erst und glaubetet es wirklich,
daß ich ein Sünder wäre, aber ob es möglich wäre und ob ich wol glauben könte, daß Gott mir
diese Sünden und die Schuld und die Straffen vergeben würde oder wolte, das war ietzo die
gröste Noht und der harteste Knoten. O! wie eine so lange Zeit hat es doch gekostet endlich das articul
glauben zu lernen, daß Gott mir die Sünde vergeben habe. Bey meinem innerlichen Kampffe