blieb unter anderen Dubiis wegen dies und das am letzten und längsten dieses ein mächtiger Scrupul,
ob mir Gott könte die Sünde so passiren lassen und vergeben, daß ich so oft unwürdig bishero als ein todter
Sünder wäre zum heiligen Abendmahl gegangen. O Mein Kummer und Hertzeleid darüber ist so
groß gewesen, daß ichs nicht beschreiben kan, ich hätte es auch nimmer glauben wollen, daß es möglich wäre,
wenn Gott mir nicht endlich zum herlichen Sieg über die gantze Welt äußerlich und innerlich geholffen
hätte. Noch vorhero ehe dieses Dubium mich recht angefallen, hatte ich einen andern starcken groben
Feind vor mir, mit welchem ich täglich kämpffen muste bevor ich durch Gottes Krafft die Oberhand er-
langete und dieser war die, Atheisterey. Denn ob ich schon vorhero niemahls an Gottes Essentz daß
ein Gott sey, gezweiffelt hatte, außer was in Landsberg an der Warthe mir einsten eingefallen, so wurde
mir doch ietzo zweiffelhaft, ob denn auch ein Gott wäre? David saget hievon also: Der gottlose spricht
in seinem Hertzen, es ist kein Gott. Freulich machet es ein gottloser Sünder so, er wolte gern glauben, daß
kein Gott wäre und wünschet es wircklich in seiner Seelen heimlich, auf daß er nicht möchte unruhig in
seinem Gewißen seyn wegen der Straffe die er sich befürchtet als den un vermeidlichen Lohn der Sünden.
Dieses war denn auch wohl die Haupt Uhrsache meines Zweiffels, allein nechst dem so hielt ichs für sehr billig
einen wahren lebendigen Gott zu haben, den ich als das höchste Gut ehren könte, und dem ich dienen müste
und mich Ihm gäntzlich übergeben in vollen Gehorsahm, einem Gott aber von hören sagen, zu haben war
für mich zu gering, ich wolte den Gott erst selbst erkennen und so haben als Er pfleget beschrieben zu
werden. Einen solchen Gott konte ich bis dato noch nicht glauben (und was Wunder, ich war bishero
außer Gott gewesen und hatte ohn Gott gelebet) mir dauchte, es solte mir einer erst recht
lebendig beweisen, alsdann walte ichs glauben. Ich hatte zwar bishero ein Collegium Methaphysicum
oder Pneumaticum gehalten, allein ich nahm alle diese Demonstrationes noch nicht vor wahr
genug an. Deswegen ging es nun auf ein meditiren los, wo ich stand oder ging, zu Hause oder
über die Straße, da strengete ich alle meine Seelen Kräffte an, zu suchen ob ich Gott finden konte?
Ich sahe den Himmel an und sprach bey mir selber, dieser ist doch nicht von ohngefähr entstanden, aber
wenn ich recht tief hineinsehe, so erstauneten und erstarreten gäntzlich alle meine Sinne und ich wuste
nicht mehr ob ich gedächte oder zur Lufft geworden wäre. Mit diesem Zweiffel trug ich mich etliche
Wochen, aber ich konte mir selbst nicht rahten noch helffen, und das währete so lang biß mir Gottes
Gnade anschien und die Hand reichte aus dieser Kummer Höle herauszukriechen. Ich logirte
am Thor bey der Moritzkirche im Hospital [...] gewißen
Tage ins Collegium gehen wolte und in der Hälfte der Straße von meiner Wohnung an gerechnet
nach dem so genanten alten Marckte begriffen war, da fiel mir als meditatundo et desperan-
do ein: sihe! Du bist ia, hastu dich selbst gemachet? Nein. Wo du aber gleichwol meynest, daß
du dich selbst gemachet hast, warum bistu nicht eher, vielleicht zu Abrahams oder Davids
Zeiten geboren? Antwort: Das habe ich nicht vermocht. Nun, weil du dir dein Wesen nicht
selbst gegeben hast, auch wie du gestehest, nicht geben können, so muß es gewiß ein anderer seyn,
der es gethan und auch vermocht zu thun. Über diesem Einfall stutzete ich und ich konte nicht
weiter als gern glauben, daß ein Gott wäre. Denn, es war ausgemacht, ich wäre hoc ipsissimo
tempore. Vor 40. Jahren wäre ich noch nicht in rerum natura gewesen und nach 60 Jahren
würde ich auch nicht mehr so seyn, wie ich ietzo wäre. Beym Aufschluß dieses Zweiffels, der nun-
mehro gehoben, bestraffete ich mich gleich auf frischer That, noch unterweges, ehe ich ans Auditorium
kam mit diesen folgenden Gedancken, denn ich sprach bey mir selber: höre //du// einfältiger, thummer
Mensch, du willst nicht glauben, daß ein Gott sey, da es doch alle Welt glaubet. Wie? wirds auf
deinen Glauben oder Unglauben ankommen daß ein Gott sey? Nein. Wenn du es auch nim-
mermehr glauben wilst daß ein Gott sey, so ist gleichwohl doch ein Gott! Und im Falle du nim-
mer gebohren wärest, wie andere Menschen, wäre um deinet willen denn kein Gott? Ach
ja freylich. Als dieses nun endlich bey mir ausgemachet worden, da rief ich des Abends in meinem
Gebeht laut aus: der HErr ist Gott, der HErr ist Gott! Es fielen mir zu gleich ein die
Worte aus Hebr. 11,6: Wer zu Gott kommen will, der muß glauben, daß Er sey und denen
die Ihn suchen ein Vergelter seyn werde. Hier lernete ich diesen Spruch recht verstehen und aus
der Erfahrung deßen Wahrheit anzunehmen. Weil dieses mein erster Sieg, so sind mir diese
Worte von da an allezeit bis dato so angenehm und erwecklich daß ichs nimmer vergeßen
kan. Auch habe einsten über diese Worte in Francfurt an der Oder geprediget und als
ich in Indien Malabarisch zu predigen anfangen muste, war dieser Vers mein Text in der
ersten Malabarischen Predigt. Nachdem ich dann angefangen hatte zu glauben, daß ein Gott
sey, und derselbe mein Schöpffer, Erhalter und Wohlthäter wäre, so folgete daraus nach aller
Billigkeit, daß ich Ihm auch dienen müste. Allein ich hatte diesen Gott noch nicht, wie solte ich
C