Ihm denn dienen können? Da fiel mir ein, ich müste Ihn suchen, aber die Frage war
hier, wie suche ich Ihn und wie finde ich Ihn? Äußerlich darf ich Ihn nicht suchen: denn Er ist
allenthalben zugegen, so muß ich Ihn innerlich suchen im Grunde der Seelen. Die Seele aber ist
voller Welt und Eitelkeit, voller Sünde und Thorheit, voller Greul und Unreinigkeit. So lang
als nun diese Gäste in der Seele wohnhafft bleiben, so kommet der heilige Gott nimmer herein.
Also muß die Seele allen diesen Gästen die Herberg aufsagen, ihnen die Thür weisen, ia mit
Sack und Pack rausschaffen, sol anders Gott seinen Gnädigen Einzug und Wohnung in der
Seele aufschlagen. Weil aber diese alte Gäste mit der Seele in langer guter Freundschafft gestanden
so kostet das Scheiden voneinander viel traurens und Klagens biß endlich doch die Seel mit
vielen Schmertzen sie alle hinaustreibet. Und da sie einmahl auf diese lose Betrüger spinnen feind
worden, so bleibet sie auch ihnen hinfüro gäntzlich unhold, abgeneigt und abgestorben. Das Hertzens
Hauß wird inzwischen gereiniget durch den Glauben, gewaschen mit dem Blute Jesu Christi; nach
dem vorhero das saltzige Thränen Waßer gleichsam den faulen Grund eingeweichet hatte. Nun
mehro kommet der HErr zu seinem Tempel und die Seel empfahet Ihn, nimmet Ihn auf,
hat Ihn, besitzet Ihn, erkennet Ihn, liebet Ihn, ehret und anbehtet Ihn. Nachdem durch Gottes Bey-
stand die Welt innerlich überwunden, so ist hernach möglich und weit leichter auch die äußer-
liche Welt zu überwinden. Thür und Thor werden vor ihr zugeschloßen, der Mensch machet einen
Bund mit seinen Augen, nach keiner Eitelkeit mehr zu sehen, die Ohren verlangen nichts zu hören,
was nicht wohl lautet und göttlich ist; der Mund redet aus der Fülle des Hertzens und von dem äußerlichen
Welt Staube wenig oder nichts, außer was nöhtig ist zu Gottes Ehre und des Nechsten Nutzen.
Dieses ist zwar alhier bald erzehlet, aber nicht so geschwinde gethan gewesen. Es hat sehr viel Kampf
in der Seele gekostet, ehe ich der Hoffart und dem Neid, meinem eigen Willen, den falschen Absichten,
der eigen Gefälligkeit in meinem gantzen Natürlichen Leben habe absterben können und zum
vollen Siege über sie gelangen. Auch ist es noch hart hergegangen und nicht gar zu leicht ge-
wesen die äußerliche Welt zu überwinden und um Christi willen ein Naar zu werden.
Mit der bösen Hoffahrt habe ich vieles zu schaffen bekommen und viel disputirens gehabt, ehe ich ihn
konte ad absurdum bringen und zu Schanden machen: Seine Unvernüfftigkeit habe ihm müßen
dergestalt verbergen, daß er [drüber] endlich Reißaus nehmen muste: denn ich examinirte mich
von der fussohle bis zu der Scheitel so wohl nach meinem innerlichen elenden Zustande, als auch
nach meines sterblichen Leibes Beschaffenheit und Hinfälligkeit, fragende: wo denn in und an mir
was wäre, warum ich hoffärtig seyn solte und sihe, ich fand nichts als lauter Elend und Jammer
innerlich und äußerlich, ia daß ich nicht wehrt wäre auf Gottes Erdboden zu treten und die
gemeine Lufft zu genießen. Hieraus siehet man mit wenigen, was ich doch müße gethan haben
wie ich über meine Worte und jedem Gedancken Acht gehabt, damit ich möchte Gott Rechen-
schafft davon geben. Auch betäubete meinen äußerlichen Leib nach aller Möglichkeit, dergestalt
daß durch fasten, weinen, behten, meditiren in der heil. Schrifft und immer an Jesum Christum
zu gedencken, ich immer näher drang zu der engen pforte. Da hieß es von meiner Seelen
recht: Ich lieg im Streit und wiederstreben, hilf O! HErr Christ mir schwachen. Weil das heilige
Abendmahl mir einstens schon in Berlin große Stärcke und Muht geschencket wider Fleisch, Welt
und Teuffel, so hielt ichs endlich vor billig, weil ich kranck, elend, nacket, blind und blos war
als von meiner großen Noth getrieben, zum HErrn Jesu dem rechten Gnaden Stuhl zu treten. Da
ich nach der Glauchische Kirche zu gehen im Begriff war neml. bey dem Herrn Pastor Freylinghausen
zu beichten, hatte ich auch nunmehro den Vorsatz gefaßet, mit Christo alles zu über winden
der gantzen Welt abzusterben und um seinet willen gern ein Naar zu werden. Anno 1711.
kam ich im Sommer auf die Universität und nachdem ich 9. Wochen in Halle gewesen
und inzwischen so von Gott war ergriffen worden, daß ich Ihn Tag und Nacht in meiner Seele
suchte, da begegnete mir die Freundlichkeit und Leutseeligkeit Gottes, durch die enge pforte
ging ich durch, der völlige Durchbruch ward mir geschencket, ich ward errettet von der Obrigkeit
der Finsterniß und geführet zu dem wunderbahren Licht, meine Seele kam zur Ruhe und
ward getröstet, Freude und Wonne ergriffen mein Gebeine: denn ich hatte den Gott meines
Lebens gefunden. Und also überwand der Geist das fleisch in mir nach einem solchen Kampffe
und harten Ringen. Möchte mir aber hier jemand vorwerffen, warum ich denn meinen
Hertzens Zustand nicht einem von meinen Praeceptoribus eröffnet hätte? und warum
ich mich selbst solang gequälet und mit Scrupeln aufgehalten? Es ist wahr, Sie hätten mir
vielleicht rahten können, allein ich hatte inzwischen observiret, daß einige gleich zu ihnen hinge-