Gotha. 1700. Aug. 16.
bin ich zwar selbst in der Predigt nicht
gewesen, weil ich //eben// dergestalt am Leibe er-
mattet war, daß ich in solcher Zeit
eine kleine erholung der Kräffte noth-
wendig suchen müßen; bin aber
nicht in abrede, daß ich an mehren
Personen einen gefährlichen Eindruck
von solcher Predigt und der so unli-
mitirten Seligsprechung des verstorbe-
nen angemercket; kan auch nicht
leugnen‚ daß ich hieselbst nimmer
dergleichen Zettel würde abgelesen
haben, als ich dort gethan‚ da ich
ein fremder,gewesen, und so viel
die auff der Canzel mir in die Hand
gegebenen Zettel betroffen, nur als
ein nudus historicus und recitator
alienae sententiae et scripturae ange-
sehen werden können. Als wir hier
noch eben solche weise der öffentli-
chen Seligsprechung der verstorbenen
gehalten‚ sind mir eben dergleichen
casus vorkommen, da ich aber das
Selig platter-dings ausgelaßen‚
und die damitverdiente//ererntete// Ungunst
geduldig übernommen. Es hat uns
aber eben dergleichen nicht selten vor-
fallende Begebenheit dahin gebracht,
daß wir nun eine geraume Zeit
her solche Gewohnheit gar abge-
schaffet, und nur so die verstorbe-
nen abzukündigen pflegen: Es
ist Ew.r Chr. Liebe zu wißen zu
thun, daß nach dem Willen
Gottes verstorben ist N. N.
Gott lehre uns alle bedencken,
daß wir sterben müssen, auff
daß wir klug werden. Dabey wir
denn weniger unruhe im Gewißen