sind so erquickend gewesen, daß mein Gemüthe so viel Speise und Tranck gefunden,
woran es nicht einen Tag, sondern viel Tage nacheinander zu zähren gehabt. Und das ist
nach meinem Bedüncken auch wohl die beste Art eine Sache recht gründlich zu treiben und die
Wahrheiten in succum und sanguinem zu vertiren. Was würde doch dem Menschen das
Eßen nützen, wenn Er nicht Zeit hätte es zu verdauen? Oder meynet jemand, er würde
darum fett werden, wenn Er Tag und Nacht unaufhörlich nur eße? Nein. Viel lesens, ia wenn
auch einer 100 mahl die liebe Bibel durchlesen wolte, würde ihm darum die heimliche Weiß-
heit Gottes nicht aufschlüßen, wann Er es ohn Andacht, ohn Nachdencken und ohn application
auf sich selbst zu machen, als ein opus operatum nur thun und wolte. Wenn dem nach die Seel
auf solche Art beschäfftiget ist und ihr Vergnügen in Gott als das höchste Gut ein mahl gefunden hat:
Denn unser unsterblicher Geist will und muß was haben, woran er klebet und lebet; als dann
ist es dem Menschen ein leichtes Ding, die Ehre der Welt, Reichthum und Schätze, Wollust und die thö-
richte Weltfreude zu entbehren, zu verleugnen und zu verachten. Hieher gehöret auch der pru-
ritus der falschberühmten Gelehrsahmkeit. Es heißet bey einem solchen von Gott gebohrenen
und gelehrten Menschen ietzo gantz gemein: Sit alius doctior, eloqventior, ditior
et pulchrior. ich beneide keinen mehr, denn ich habe so viel als mir Gott geschencket,
wem Gott ein mehreres mittheilet, der muß auch mehr als ich haben. Durch das meditiren
in der heil. Schrifft ward mein Hertz befestiget in der ewigen Wahrheit Gottes und erkante
daraus die Herlichkeit des Christenthums als ein Geheimniß, das vor aller Welt Augen
verborgen lieget. Und da nach der Zusage unseres Heilandes, der heil. Geist sein Jünger
in alle Wahrheit leiten soll, so empfing ich öfters solche Observationes, die vorhero nim-
mer gehabt noch gehöret, zum wenigsten michs nicht zu besinnen wuste. Einige mahl
kriegte ich Aufschlüße in meiner Seelen, die wenig Tage hernach publicè von dem Herrn
Professor Francken in dem Collegio erst vorgetragen wurden. Daraus schloß ich, daß
die Wahrheit mich selbst lehrete. Ein Exempel nur anzuführen, so hatte ich die Gewohnheit
nach gehaltenem Abend Gebeht kein Gespräche weder von dies oder das, viel weniger von
Welt[dingen zu führen. Ich hatte aber einen neuen] Stuben Gesellen inzwischen bekommen,
dieser als wir unser gemeinschafftliches Gebeht verrichtet und zu bette gegangen waren,
fing an mit mir zu reden und wolte sich mit mir in ein Gespräche einlaßen, biß Er da-
rüber einschliefe. Weil aber sein Gespräch mir nicht de tempore schien, antwortete ich
Ihm nur mit einem Worte und blieb stille in meiner Meditation und Gemüths-
Faßung. Allein dieser gute Mensch war dadurch offendiret worden und maulete auf
mich deswegen 2. Tage biß Er mir die Uhrsache seines Stillschweigens anzeigete. Aber
köstlich gut kam es zu meiner Defension, daß den 3 Tag in Collegio Paranaetico
diese materia beyläuffig abgehandelt und vorstellig gemacht ward, wie es gar nicht zu
billigen, wenn man mit Gott geredet und sich Ihm anbefohlen hätte, alsdann wiederum
noch wolte von andern Dingen reden, wodurch die Andacht nohtwendig aufhören müste,
in welcher man kurtz vorhero gewesen, da man in der Gegenwahrt Gottes besonders
gestanden und mit Ihm gesprochen hätte. Wenn ich nicht stündlich mit meinem Stuben
Gesellen wäre zusammen gewesen, möchte Er wohl geargwohnet haben, ich wäre zum
Herrn Professor Francken gegangen und hätte Ihm von diesem Nachricht gegeben. Allein
weil Er das Wiederspiel gantz genau wuste, ward Er desto mehr überzeuget, daß Er geir-
ret und ich Ihm kein Unrecht gethan, wann ich mich entschuldiget mit ihm in der Nacht.
nach dem gehabten Gebeth zu discouriren. Zu dem ich nun viele Aufschlüße und Medi-
tationes diese Zeiten gehabt, so will davon einige wenige zur Probe hier unten nach-
ein ander hersetzen als ein Beweiß, in welcher Arbeit und Faßung meine Seele
damals müße gestanden seyn. Die Unbilligkeit der Menschen
welche gern Gottes Wohlthaten leiblich an nehmen, aber nicht verlangen seine
Kinder zu werden. betrachtete ich auf folgender Weise sprechende: Wenn doch
der böse Mensch einst wolte redlich werden, und dafern Er Gott nicht ehren noch lieben
wolte, so solte Er auch nichts von Gottes Sachen gebrauchen. Er solte sagen: Ich diene
Gott nicht, ich liebe Ihn nicht, ich ehre Ihn nicht, so mag ich auch nichts von Ihm haben.
Ich will auf seinem Erdboden nicht treten, seine Lufft soll mich nicht anwehen
woran es nicht einen Tag, sondern viel Tage nacheinander zu zähren gehabt. Und das ist
nach meinem Bedüncken auch wohl die beste Art eine Sache recht gründlich zu treiben und die
Wahrheiten in succum und sanguinem zu vertiren. Was würde doch dem Menschen das
Eßen nützen, wenn Er nicht Zeit hätte es zu verdauen? Oder meynet jemand, er würde
darum fett werden, wenn Er Tag und Nacht unaufhörlich nur eße? Nein. Viel lesens, ia wenn
auch einer 100 mahl die liebe Bibel durchlesen wolte, würde ihm darum die heimliche Weiß-
heit Gottes nicht aufschlüßen, wann Er es ohn Andacht, ohn Nachdencken und ohn application
auf sich selbst zu machen, als ein opus operatum nur thun und wolte. Wenn dem nach die Seel
auf solche Art beschäfftiget ist und ihr Vergnügen in Gott als das höchste Gut ein mahl gefunden hat:
Denn unser unsterblicher Geist will und muß was haben, woran er klebet und lebet; als dann
ist es dem Menschen ein leichtes Ding, die Ehre der Welt, Reichthum und Schätze, Wollust und die thö-
richte Weltfreude zu entbehren, zu verleugnen und zu verachten. Hieher gehöret auch der pru-
ritus der falschberühmten Gelehrsahmkeit. Es heißet bey einem solchen von Gott gebohrenen
und gelehrten Menschen ietzo gantz gemein: Sit alius doctior, eloqventior, ditior
et pulchrior. ich beneide keinen mehr, denn ich habe so viel als mir Gott geschencket,
wem Gott ein mehreres mittheilet, der muß auch mehr als ich haben. Durch das meditiren
in der heil. Schrifft ward mein Hertz befestiget in der ewigen Wahrheit Gottes und erkante
daraus die Herlichkeit des Christenthums als ein Geheimniß, das vor aller Welt Augen
verborgen lieget. Und da nach der Zusage unseres Heilandes, der heil. Geist sein Jünger
in alle Wahrheit leiten soll, so empfing ich öfters solche Observationes, die vorhero nim-
mer gehabt noch gehöret, zum wenigsten michs nicht zu besinnen wuste. Einige mahl
kriegte ich Aufschlüße in meiner Seelen, die wenig Tage hernach publicè von dem Herrn
Professor Francken in dem Collegio erst vorgetragen wurden. Daraus schloß ich, daß
die Wahrheit mich selbst lehrete. Ein Exempel nur anzuführen, so hatte ich die Gewohnheit
nach gehaltenem Abend Gebeht kein Gespräche weder von dies oder das, viel weniger von
Welt[dingen zu führen. Ich hatte aber einen neuen] Stuben Gesellen inzwischen bekommen,
dieser als wir unser gemeinschafftliches Gebeht verrichtet und zu bette gegangen waren,
fing an mit mir zu reden und wolte sich mit mir in ein Gespräche einlaßen, biß Er da-
rüber einschliefe. Weil aber sein Gespräch mir nicht de tempore schien, antwortete ich
Ihm nur mit einem Worte und blieb stille in meiner Meditation und Gemüths-
Faßung. Allein dieser gute Mensch war dadurch offendiret worden und maulete auf
mich deswegen 2. Tage biß Er mir die Uhrsache seines Stillschweigens anzeigete. Aber
köstlich gut kam es zu meiner Defension, daß den 3 Tag in Collegio Paranaetico
diese materia beyläuffig abgehandelt und vorstellig gemacht ward, wie es gar nicht zu
billigen, wenn man mit Gott geredet und sich Ihm anbefohlen hätte, alsdann wiederum
noch wolte von andern Dingen reden, wodurch die Andacht nohtwendig aufhören müste,
in welcher man kurtz vorhero gewesen, da man in der Gegenwahrt Gottes besonders
gestanden und mit Ihm gesprochen hätte. Wenn ich nicht stündlich mit meinem Stuben
Gesellen wäre zusammen gewesen, möchte Er wohl geargwohnet haben, ich wäre zum
Herrn Professor Francken gegangen und hätte Ihm von diesem Nachricht gegeben. Allein
weil Er das Wi
ret und ich Ihm kein Unrecht gethan, wann ich mich entschuldiget mit ihm in der Nacht.
nach dem gehabten Gebeth zu discouriren. Zu dem ich nun viele Aufschlüße und Medi-
tationes diese Zeiten gehabt, so will davon einige wenige zur Probe hier unten nach-
ein ander hersetzen als ein Beweiß, in welcher Arbeit und Faßung meine Seele
damals müße gestanden seyn. Die Unbilligkeit der Menschen
welche gern Gottes Wohlthaten leiblich an nehmen, aber nicht verlangen seine
Kinder zu werden. betrachtete ich auf folgender Weise sprechende: Wenn doch
der böse Mensch einst wolte redlich werden, und dafern Er Gott nicht ehren noch lieben
wolte, so solte Er auch nichts von Gottes Sachen gebrauchen. Er solte sagen: Ich diene
Gott nicht, ich liebe Ihn nicht, ich ehre Ihn nicht, so mag ich auch nichts von Ihm haben.
Ich will auf seinem Erdboden nicht treten, seine Lufft soll mich nicht anwehen