Langen Hause, wo wir Anfangs logiten, da kriegte ich einige schwer müthige Gedancken wider
meinen Willen, in dem mir der der Zweiffel einfiel, obs auch wahr wäre, daß ein Gott sey?
Worüber ich sehr erschrack und recht wehmütig that, aber weil ein mahl dieser feurige pfeil
mir ans Hertze geschoßen war, so hatte ich einige Tage Kummer diesen bösen Gedancken aus
demSinn zu schlagen. Ich klagete daher mein Elend dem Sohn im Haus und Er
munterte
mich auf mit diesen Worten: Ich solte nur gutes Muhts seyn, Gott würde mich mit seinem
Gnaden Licht wieder anscheinen! Hiedurch ward mein Hertz in etwas getröstet und ich fing
an frey zu we//r//den von diesem Scrupul. Die alte Schul in Landsberg war bey der Kirche
und desßen Eingang in wehrts nach dem Kirchhoff zu. Es geschahe einsten, daß nicht weit von
der Schule ein Grab gemachet wurde und in dem man die Erde hinauswarff, kam ein
todten Gebein mit hin aus. Als ich dieses so mit ansichtig ward, über fiel mich ein rechtes Grau-
sen und ich ward in meinem Gemüthe darüber sehr tief niedergeschlagen: Denn ich machte auf
mich die die Application und sprach bey mir selbst: sihe, so wirstu auch in kurtzen werden;
derselbe, dem dieses Schinbein zugehöret, ist wohl so munter und frisch gewesen als du und
vielleicht noch beßer, allein so ist unser kläglicher Zustand nach dem Fall. Mein Hertz ward
mir gebrochen und ich kriegte Verdruß an diesem sterblichen Leben, weil doch das Ende der
Todt ist und fing an auf ein beßer Leben zu dencken und wünschete in meinem Genüthe
und Gebeht noch ein seeliges Ende und baldigen Abschied aus dieser Welt. In der privat
Stunde, da uns des Diderici Institutiones erklärt wurden, gebrauchte der Conrector
bey einer gewißen Gelegenheit diese Worte: Wie ein Todter nicht weiß, daß Er todt sey;
so weiß auch ein Sünder nicht, daß er todt in Sünden sey. Diese Expression veruhrsachete
bey mir eine große Attention und mir gefiel das Gleichniß über aus wohl, als welches
eine ewige Wahrheit in sich hielt. Allein ich gedachte nicht, daß ich todt wäre, und wie konte
ich daran gedencken, denn ich war ja auch selbst einer von solchen todten? Wir hatten
einsten disputiret exercitii gratia, und da wir schienen, es wohl gemacht zu haben, so
sagete der Herr Conrector zu mir: alles wäre gut, allein wir müsten als Adolescentes
auch den Bösewicht übermeistern [...] schöne Ermahnung gefiehl mir
sonderlich und habe öffters daran gedacht sogar, daß ichs ietzo aufzuschreiben mich noch mit Ver-
gnügen zu besinnen weiß. Der damahlige Inspector hatte einstens das Evangelium von
Christo, wie Er wäre von Maria verlohren worden und laut seines Texts stellete Er die
Größe des Verlust sehr beweglich vor, neml. ein Mensch möchte durch Feuer und Waßer etc.
sein Hab und Gut verliehren, so hätte Er doch wenig oder nichts verlohren, weil Er alles
von Gott wieder kriegen könte, allein wer Christum verlohren, der hätte alles, alles ver-
lohren. Diese Expreßion machte mich angst und bange, denn ich schlos daraus, ich hätte
vielleicht auch Christum schon verlohren, und mit diesem Verzweifflungs Gedancken ging ich
viele Tage, seuffzete wo ich stand und ging, ia redete offt die Worte laut aus: Was ich
nun thun solte, ich hätte Christum verlohren. Ich war willens meinen Kummer zu offen-
bahren, allein ich fürchte mich. Es ist ein Wunder, daß es der Herr von Bonjour nicht gemercket
oder meine Klagen gehöret hat. Dieses geschahe in Kauffmanns Schultzens Hause. Wenn das heil.
Abendmahl gehalten ward, hatte ich allezeit eine hohe heilige Ehrerbietung dabey und wenn die gantze
Schule selbst nebst den Herren Praeceptoribus zum heiligen Abendmahl ging, so suchte ich meine Andacht
noch a part zur gebührenden Vorbereitung und verfügete mich demnach alle Tage ins Feld allein,
meditierte, behtete und weinete, daß Gott mich doch wolte in Gnaden ansehen und laßen ein
würdigen Tisch Gast werden. Einmahl geschahe es, als wir nach Sonnenburg gereiset waren
und den Sonntag da feyreten, daß ich in einer Predigt sonderlich gerühret wurde. Die Textworte
waren aus der Offenbahrung Johannis: Sie werden gequälet werden Tag und Nacht von Ewigkeit
zu Ewigkeit. Dieses war bey Abhandelung so lebendig in meiner Seelen aufgeschloßen
und so fürchterlich repraesentiret, als wenn ich mit offenen Augen nahe an der Hölle wäre und
die Pein und Marter mit anhörete und ansähe. Anno 1707. da man von der Tranqueba-
rische Mission zum ersten bey uns etwas hören konte und der Praeceptor in der privat-
Stunde uns davon Nachricht gab, so bekahm ich alsobald eine Lust und Vergnügen an diesem
Wercke und wünschete denselben Augenblick bey mir selbst, daß es Gotte möge gefallen mich
auch einmahl dahin zu schicken. Und sihe! dieser Wunsch ist auch erfüllet worden. Ich habe mich
aber in Landsberg 6. Jahr aufgehalten und bin inzwischen aus Secunda in groß primam gerücket